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Eine kleine Zeitreise...

 

...in das alte Rückingen

Wir reisen zurück in das 10. Jh. Zu dieser Zeit gab es hier in der Nähe der Kinzig bereits eine kleine Ansiedlung. Vermutlich im 11. Jahrhundert wurde eine hölzerne Turmhügelburg errichtet, die mit einem Graben umgeben war. Diese Art Turmburg wird auch "Motte" genannt.


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Warum Motte?

Diese Turmhügelburgen wurden so gebaut, dass Angriffe von außen aber auch das Unterminieren möglichst erschwert wurde. Dafür war ein Platz wie hier an der Kinzig, wo das Grundwasser hoch steht, gut geeignet. Zunächst wurde der Turm auf den natürlichen Untergrund gebaut und dann wurde um den Turm herum Erde angeschüttet. Durch die Anschüttung entstand ein künstlicher Berg. Es sah so aus, als ob der Turm auf dem Berg steht, tatsächlich stand er aber darin. Der Turm war eingemottet. Der Berg machte ihn von außen schwerer angreifbar und zum Unterminieren hätte man so tief graben müssen, dass das Grundwasser in die Höhlung gelaufen wäre.


 

Wasserburg:

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts trug man sich mit dem Plan eine steinerne Burg zu bauen. 1248 wird sie zum ersten mal in einer Urkunde genannt, sie muss aber vorher schon gestanden haben. Die Burg hatte auch einen Turm, denn bei Ausgrabungen wurde 1988 ein halbrundes Turmfundament in der südöstlichen Ecke der heutigen Burg freigelegt. Die Burg war durch einen Burggraben gesichert, der eine Breite von bis zu 15 Metern hatte. Besitzer der Burg waren die Herren von Rückingen und ab 1311 auch die Herren von Rüdigheim. Anfang des 15. Jh. fällt Johann von Rüdigheim nicht gerade durch Heldentaten auf. Er wie andere des Kleinadels in der Wetterau verstricken sich in räuberische Aktionen. Deshalb unternimmt König Ruprecht von der Pfalz eine "Strafaktion" gegen diesen räuberischen Kleinadel. Die Wasserburg wird dabei zerstört. Johann von Rüdigheim flieht. Am 1. Juni 1405 verzichtet er auf Schadenersatz und stellt sich auf Lebenszeit in den Dienst der Pfalz. Dafür erlaubt ihm der König, im Dorf Rückingen einen Bauhof zu errichten, jedoch ohne Graben, Zugbrücke oder ähnliche Befestigungsanlagen.

Mühle:

Wahrscheinlich hat schon im 14.Jh. eine Mühle ungefähr hier an der Kinzig gestanden.. 1667 hatte Johann von Fargel, von dem wir noch hören werden, seine "allhir habende eigenthümliche Mühle auf ein Jahr lang" verpachtet. Im 18. Jh. beschwert sich der damalige Müller darüber, dass er nach sechs Jahren die Mühle verlassen soll, weil ein Anderer eine höhere Pacht geboten hat. Er gibt noch an, während seiner Zeit eine Öl- und Hirsemühle drangesetzt zu haben.Ende des 18. Jh. war der Fruchtmühle eine Schnupftabaksmühle angegliedert. Die Rückinger Mühle wurde mehrmals ein Opfer der Flammen. 1877 brannte sie vollständig nieder, ein Vater von drei Kindern, fand bei den Löscharbeiten den Tod. Am 14.12.1899 brannte sie erneut.Am 23.4.1953 stand sie wieder in Flammen. Das Feuer konnte aber von den Feuerwehren aus Rückingen, Langendiebach und vom Fliegerhorst auf einen Teil der Mühle beschränkt werden.Am 24.07.1959 Juli vernichtete ein Großbrand die Mühle mitsamt allem eingelagerten Mahlgut und allen Maschinen, ausgenommen der beiden Turbinen. Danach wurde die Mühle nicht wieder in Betrieb genommen.

Herrenhof (Ecke Herrnhofstr./Brückenstr.):

Das Gebiet des Herrenhofs erstreckte sich in seiner größten Ausdehnung zwischen Kinzig und Hattergasse und umfasste die Gebiete bis hier zur Hauptstraße.Die Hauptgebäude des Herrenhofs waren das "Schloss", ein großes Wohngebäude an der Kinzig, und große Stallungen, von denen die umgebaute Scheune heute noch zu sehen ist. Das gesamte Gebiet des Herrenhofs war mit einer Mauer umgeben. In diesem Bereich hier verlief sie etwa entlang der Mauer des Schulhofs.Eine Rekonstruktion des Herrenhofs zeigt die Größe des Anwesens mit der Lage der verschiedenen Gebäude und der Kapelle.
Im Februar 1909 wurde der Herrenhof abgerissen. Erhalten geblieben ist die Scheune und das Schlösschen, zu dem wir jetzt gehen werden.Auf unserem Weg streifen wir ein Wohngebiet der Arbeiter des Hofes.

Alte Kirche:

Die erste urkundliche Erwähnung der Kapelle findet man 1311. Wann sie allerdings erbaut ist, wissen wir bisher nicht. Bei Ausgrabungen 1984/85 fand man zwei Heller, die um 1250 geprägt wurden. Daraus kann man schließen, dass die Kapelle im 13. Jh. entstanden sein könnte, also um die gleiche Zeit wie die Wasserburg. Bei den Ausgrabungen wurde das Fundament der Kapelle freigelegt. Durch die Ausgrabungen konnten 35 Bestattungen unter der Kirche nachgewiesen werden, die vermutlich vom Rückinger Ortsadel stammen. Eingemauert im Giebel waren Wappensteine der Rückinger und Rüdigheimer Herren. Einer dieser Wappensteine trägt das Wappen von Hans Georg von Rückingen und Anna Elisabeth von Rüdigheim. Er tauchte im April 2005 in Ebay auf und wird heute im Foyer des Rathauses ausgestellt. 1912 wurde die kleine evangelische Kirche abgerissen.

Ein gar seltsam Geschichtlein

Sonderbare Kunde ist von unserem Kirchlein überkommen aus der Zeit des Herrn Kameytsky, von dem wir später noch ein wenig hören werden.Im Kirchenbuch stehen viele Trauungen von Auswärtigen Leuten. Üblich ist das nicht. Und das Heiraten hat so seine Ordnung. Der Pfarrer fragt und ermahnt und belehrt, spricht von Sünden und Lastern, von Pflichten und Gehorsam und wie man's halten soll mit der Treue und dem Kinderkriegen. Und Einverständnis braucht man von den Lehnsherrn und zueinander passen muss es vom Stand her und was weiß ich nicht alles. Ja so ist das, wenn zwei zusammen wollen, dürfen sie noch lange nicht. Aber was macht unser Rückinger Pfarrer hier? Er traut die, die zusammen wollen, ohne viel zu fragen. Und hat auch noch das Einverständnis vom Herrn Kameytsky. Ohne dies ging's ja auch nicht. Aber der Herr Pfarrer lässt sich gut dafür bezahlen. Das hat sich wohl herum gesprochen. Und deshalb kommen die Leute von überall her.

Schlösschen - Die letzten Rückinger

1564 wurde das "Schlösschen" - der Teil mit dem Treppenturm - gebaut. Der massive Teil, also der Keller, der westliche Teil des Erdgeschosses und der Treppenturm stammen aus dieser Zeit. Die anderen Teile sind neuer.Im 30-jährigen Krieg wurde fast das ganze Dorf zerstört. Auch das Schlösschen blieb nicht verschont. 1657 wurden dann die Fachwerkteile im Erdgeschosses und im Obergeschoss und auch das Dach neu aufgebaut. Hier nach Süden war die Schau-Seite des Gebäudes. Man sieht eine aufwändige Fachwerkstruktur. Die gegenüberliegende Hofseite ist wesentlich einfacher gehalten.Dieser Teil des Schlösschens ist auch innen in seiner damaligen Struktur weitgehend erhalten geblieben. Hier hat der letzte Rückinger Joachim Philipp mit seiner Ehefrau Anna Maria von Westphalen und seinen beiden Töchtern gelebt. Dies verraten uns die Stuckdecken mit dem Wappen der Eheleute. Die Wappen sind zwar mehrfach mit Farbe überstrichen worden aber erhalten geblieben.
Nur wenige Jahre sind den beiden gegönnt. Bereits 1661 stirbt Anna Maria. Joachim Philipp folgt ihr 1666. Mit ihm hatte der letzte Rückinger, ohne einen männlichen Erben zu hinterlassen, den Löffel abgegeben.


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Den Löffel abgeben

Nun, der Löffel ist ein ganz persönlicher Besitz. Bei den hohen Herrschaften ist er aus feinem Silber und allein deswegen schon teuer. Bei dem einfachen Volk ist er zwar nur aus Holz, aber nicht minder kostspielig. Einen solchen Löffel kauft man nicht, sondern fertigt ihn selbst. Die Zeit dafür fehlt meist, weil so viel nützlicheres zu tun ist. Es dauert halt eine Weile, bis man aus einem geeigneten Holzstück mit einfachem Werkzeug ein Gerät geschnitzt hat, das man zum Mund führen kann, ohne sich zu verletzen. Da isst man doch lieber mit den Fingern. Aber, wer einen Löffel hat, der hat auch einen Besitz, denn der einfache mittelalterliche Mensch besitzt meist gar nichts. Und wenn dann ein Mensch stirbt, gibt er seinen Löffel als Erbe ab.


 

Schlösschen - Johann von Fargel:

Auch die Rüdigheimer sind vom Aussterben bedroht. Der letzte Rüdigheimer, Anton Günter, steht im 30-jährigen Krieg im Dienst Oldenburgs. In den letzten Kriegstagen 1648 lernt er den Obristen Johann von Fargel kennen. Dieser hatte große Verdienste und Reichtum erworben. Da Anton Günter die Hoffnung auf einen männlichen Erben aufgegeben hatte, schlossen die beiden einen Vertrag über den Verkauf des Familienbesitzes und die Absicherung der Töchter und Witwen im Falle des Aussterbens. So zog Johann von Fargel bereits 1650 nach Rückingen. Mit seinem Geld baute r das zerstörte Dorf wieder auf und galt deshalb schon jetzt als der eigentliche Herr von Rückingen.Nach seinem Tod 1655 übertrug Isenburg das Lehen, halb Rückingen, auf Johann von Fargel. Mit dem Tod von Joachim Philipp von Rückingen 1666 erhielt Johann von Fargel ganz Rückingen zum Lehen.

Die Fische im Rückinger Wappen:

Johann von Fargel brachte sozusagen die Fische mit nach Rückingen. Diese zieren nämlich nicht nur das alte Rückinger Gemeindewappen, sondern bereits den Schild des Johann von Fargel. Die drei goldenen Fische auf blauem Grund erzählen vom Namen Fargel - deshalb heißt ein solches Wappen auch "redendes Wappen". Fargel leitet sich von fario, lat. Bachforelle, über farijell ab. "Fargel" findet man auch mit zwei "L" geschrieben. Die Zahl Drei ist eine wichtige heraldische Zahl, die man öfters findet, z.B. auch bei den Rüdigheimern im Wappen.

Schlösschen - Die Erben Johanns:

Keiner von Johanns Söhnen kann je das Erbe antreten, da der Vater alle überlebt. Erst der Enkel Johann Wilhelm von Fargel kommt in den Genuss des Erbes. Es ist davon auszugehen, dass er mit seiner Familie im Schlösschen wohnte.Aber auch er wird nur 30 Jahre alt, er stirbt am 27. August 1702. Die Witwe Johann Wilhelms lässt das Schlösschen erweitern. Der hintere Teil wird 1713 fertig gestellt. Doch keiner der beiden Söhne kann das Erbe antreten. Sie sterben noch im Jugendalter.Später wird dieser Gebäudeteil im Gegensatz zu dem älteren Teil im Inneren vielfach umgebaut.So fällt das Lehen wieder an Isenburg zurück. Es wird noch ein letztes Mal vergeben an Christian Eberhard Kameytski von Elstibors. Auch diese Familie stirbt nach nur drei Generationen aus. Spuren haben sie hier kaum hinterlassen.

Uraltes Rathaus:

1839 wurde das Fachwerkhaus Mittelgasse 1 als Schulhaus erbaut. Da die Gemeinde sehr schnell wuchs, war dieses Haus bald zu klein und im Jahr 1877 wurde ein neues, größeres Schulhaus mit 4 Räumen erbaut (angrenzend am Schlösschen). Mit der neuen Schule wurde das Haus in der Mittelgasse zur Dienstwohnung des Schulleiters. Ende des 1. Weltkrieges bis 1935 befand sich in einem Raum der Schule die Gemeindeverwaltung. Diese zog 1935 in die Mittelgasse 1 um. Damit wurde es zum ersten Rathaus Rückingens. Gleichzeitig wurde der freigewordene Raum der Schule einem Kindergarten übergeben, der bis dahin im Schlösschen beherbergt war. 1948 wurde das Rathaus an der Leipziger Straße gebaut. Dieses Gebäude hier wurde Wohnhaus. Heute sind im Erdgeschoss Vereinsräume. Der VdK, der Förderverein Soziale Stadt Rückingen und der Bürgerverein Soziales Erlensee nutzen diese Räume.

Kirche:

Die neue Kirche wurde Ende des 19.Jh. als Ersatz für die zu klein und baufällig gewordene alte Kirche am Schlösschen erbaut. Geweiht wurde sie 1901. In die Kirchenmauer eingelassen sind einige Grabplatten des alten Rückinger Friedhofs, der 1859 aufgelassen wurde. Hier findet man auch die Grabplatten der Familie von Fargel.In der Kirche, im Bereich des alten Eingangs, befindet sich die Grabplatte des Johann von Fargel. Sie zeigt Johann von Fargel in seiner Ritterrüstung, Kommandostab und Schwert.

Hof Freiburg

Hier stand ebenfalls ein Backhaus. Es wurde vom angrenzenden Bauern Freiburg gekauft und 1958 abgerissen.
Das Haus des Bauern Freiburg wurde 1730 gebaut. Es war kleiner als heute. Es endete hinter der Eingangstür. Um Platz für eine neue Scheune zu gewinnen, wurde dieses Haus, das keinen Keller hat, 1845 um einige Meter Richtung Straße verschoben. Man legte dazu Rundhölzer unter den unteren Fachwerkrahmen, spannte ein paar Ochsen davor und viele Leute halfen mit Schieben von hinten. So hat man das ganze Haus verschoben. 1848 wurde die neue Scheune gebaut. Auch das Wohnhaus wurde vergrößert.Etwa Ende des 19. Jh. war im neuen Teil des Hauses das Bürgermeisteramt untergebracht.

Parkplatz Kirche

An dieser Stelle stand ein Backhaus, das im Laufe seiner Geschichte verschiedene Funktionen hatte. Zunächst war es Backhaus, später das Feuerwehr-Spritzenhaus. Danach wohnte hier der Nachtwächter. Dieser Nachtwächter hat jeden, den er nach Mitternacht besoffen auf der Straße angetroffen hat, hier zur Ausnüchterung eingesperrt. Durch diese Maßnahme entstand das Gerücht, hier sei ein Gefängnis gewesen. Hier stand auch eine der Dorfpumpen. Eine weitere stand im Bereich Hauptstraße/Ecke Stichelsweg.


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Von der Backordnung

Die Backhäuser gehörten der Gemeinde. Hier konnte man das so genannte "Backzeichen" holen. Es legte die Reihenfolge fest, in der die Frauen das Backhaus nutzen durften. 3-4 Frauen konnten an einem Tag ihren Brotvorrat für ca. 2 Wochen backen. Der Ofen musste bis zur richtigen Hitze angeheizt werden. Danach wurde die Asche herausgekratzt und mit einem nassen Sack die Öffnung gereinigt. Dann wurden die geformten Brote in den heißen Ofen geschoben und ca. 1 Stunde ausgebacken. Zuletzt wurden aus den Teigschüsseln die Teigreste mit einem Schaber herausgekratzt. Davon wurden die Kratzkuchen, die ein Leckerbissen für die Kinder waren, gebacken. Vor den Fest- und Feiertagen brachten die Frauen ihre Kuchen auf großen Blechen zum Backhaus. Die gebackenen Kuchen wurden dann zum Auskühlen auf die Straße gestrellt.Seit dem Mittelalter hat sich an solchen Backtagen nicht viel geändert. Auch damals gab es eine Backordnung, nach der die Frauen alle 2 oder 3 Wochen backen konnten. Damit man später beim Aufessen der Brote, die damals ein Hauptbestandteil der Nahrung war, den Überblick nicht verlor, bekam das 3.-letzte Brot ein Kreuz, zum Zeichen dafür, dass wieder Backen angesagt war. Hatte man sich verrechnet und war noch eine längere Zeit bis zum nächsten Backtag, war beim Erreichen dieses Brotes Knausern angesagt.Auch schon damals hat man die Kinder mit den Teigresten bei Laune gehalten. Sie durften sie auf Holzstöcke spießen und über einem Feuer zum Stockbrot ausbacken.


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